Religion im Wandel

Etwa Mitte des 20. Jahrhunderts war die große Mehrheit der Bevölkerung in Europa noch religiös fest gebunden. Dies hat sich jedoch seither drastisch geändert. Gehörten zum Beispiel 1950 noch mehr als 96 Prozent der deutschen einer Religionsgemeinschaft an, waren dies 2015 nur noch 64 Prozent. Diese Zahlen sagen wenig über den Glauben oder Nichtglauben aus. Aber sie zeigen, dass heute deutlich weniger Menschen Halt in einer organisierten Religionsgemeinschaft suchen als noch vor 70 Jahren.

Gleichzeitig hat sich auch die Einstellung der meisten Menschen zur Religion geändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es für die meisten Menschen noch als wichtig, einer Religionsgemeinschaft, zumindest auf dem Papier, anzugehören. Heute hingegen wird Religion meistens als Privatsache angesehen. Aussagen wie „Um an Gott zu glauben, muss ich nicht jede Woche in die Kirche gehen“ verbreiten sich mehr und mehr. Dementsprechend sinkt auch der Anteil der „aktiven Gläubigen“, das heißt Personen, die regelmäßig religiöse Zusammenkünfte oder Gottesdienste besuchen und aktiv am Gemeindeleben teilnehmen. Im Jahr 2016 besuchten gemäß der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz von den circa 23,6 Millionen Katholiken in Deutschland nur gut 10 Prozent auch wöchentlich die Messe. In den evangelischen Landeskirchen ist die Zahl mit etwa 4 Prozent noch deutlich niedriger.

Dagegen zeichnen sich kleinere Religionsgemeinschaften wie evangelische Freikirchen, evangelikale Kirchen und andere durch geringere Mitgliederzahlen, dafür aber deutlich höhere Prozentzahlen der aktiven Mitglieder aus.

Weltweit sieht es ähnlich aus. Große Kirchen wie die katholische Kirche verlieren an Mitglieder. Dafür gewinnen beispielsweise in Lateinamerika evangelikale Religionsgemeinschaften, die auch offensiv Werbung für ihren Glauben machen, Mitglieder. In Afrika gewinnt der Islam und christliche Gemeinschaften Mitglieder auf Kosten der traditionellen Religionen. Wo in westlich geprägten Ländern eine Abnahme der Religiosität zu beobachten ist, wächst sie in ärmeren Gebieten der Welt.